Spirituelle Psychologie
02.2021 © Uta-Maria Freckmann
Dieser Text wurde für Therapeuten der Spirituellen Psychologie geschrieben, er möchte erläutern welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es bei Psychologie/ Psychotherapie und der Spirituellen Psychologie/ Psychotherapie gibt. Dabei kann er nur eine Annäherung an das Thema anbieten und beansprucht kein Recht auf Vollständigkeit. Vielleicht bietet er eine Diskussionsgrundlage, was mich sehr freuen würde. Der Text möchte die Fragen erläutern: „Welche Ziele verfolgt die spirituelle Psychotherapie und was kann sie vermitteln im Vergleich zur Psychotherapie?“
Psychotherapeutische Arbeit/Psychologie
Bei der psychotherapeutischen Arbeit wird die Persönlichkeit (das Ego) stabilisiert, es wird mehr Positivität ins Leben geholt und Selbstvertrauen aufgebaut, behindernde Muster werden hinterfragt. Es werden die Grundlagen für ein selbstbestimmtes Leben gelegt. All dies ist eine Vorbereitungsstufe für die spirituelle Psychologie, denn diese Themen sollten schon bearbeitet, bzw. sollte unbedingt die Fähigkeit zur Selbstreflektion gegeben sein. Ein unsicherer Mensch, histrionische (emotionale) oder asthenische (schwache, fremdbestimmte) Persönlichkeiten, Narzissten, Psychotiker oder schwer traumatisierte Menschen müssen therapeutische Vorarbeit leisten, um sich zu stabilisieren. Erst im Anschluss daran kann die spirituelle Psychologie greifen, sie ist vorher nicht hilfreich, weil diese Entwicklungsstufe nicht übergangen werden kann.
Alles baut aufeinander auf und man kann keine Sprosse auf der Leiter einfach übersteigen, ansonsten besteht Sturzgefahr. Ist man eher strukturlos und nicht in der Lage seine Ziele fokussiert zu verfolgen, ist es wichtig diese Sprosse der Leiter erst einmal zu erarbeiten. Psychotherapie ist daher sehr gut geeignet, um die Persönlichkeit aufzubauen und stabile Fundamente zu erarbeiten. Die Psychotherapie/Psychologie kennzeichnet den Übergang vom Herdenbewusstsein zur Individuation (Individualisierung).
Die spirituelle Psychologie
Spirituelle Psychologie ist der Versuch, gewählte Werte und Tugenden in das Leben zu integrieren. Zudem geht es bei spiritueller Psychologie darum, die spirituelle Bestimmung und dazugehörige Werte im Leben einzubeziehen mittels einer stetigen Verfeinerung des Lebens. Dabei kann es ein Ziel sein zu erkennen, welche Verhaltensweisen gegensätzlich zu den Impressionen der höheren Seele (oder intuitiven Eingebungen) stehen. Das bedeutet, dass der höhere Wille völlig konträr zum Persönlichkeitswillen stehen kann und man sich zum Teil selbst im Wege steht, ohne es ändern zu können. Dies ist davon abhängig, wie starr verhaftet an die materielle Welt man als Persönlichkeit ist und wie stark eingefahren bestimmte Muster sind.
Oft scheint es dabei so als sei man zwiegespalten, denn der eine Teil möchte dieses und der andere jenes, und so entsteht ein Zwiespalt zwischen richtig oder falsch, Gut und Böse. Sich an Geboten und Weisungen zu orientieren, die anderen Suchenden jahrhundertelang Halt und Struktur gegeben haben (z.B. bei den Wüstenvätern), kann dabei eine große Unterstützung sein. Durch die Auseinandersetzung damit, was gut und richtig oder falsch und irreführend ist, erlangt man mit der Zeit immer mehr Stärke. Man nennt dies „die Unterscheidung der Geister“ oder „Unterscheidungsvermögen gewinnen“. Dieser Lernprozess begleitet einen ein Leben lang und vertieft sich immer mehr durch die Erfahrungen auf dem Weg.
Das Ego wird während des Prozesses immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen, es wird zuerst destabilisiert, um sich neu zu orientieren und schließlich besser eingegliedert zu werden in die spirituelle Bestimmung. Dies ist ein langwieriger und anspruchsvoller Prozess, bei dem man jedwede Unterstützung gebrauchen kann! Es ist keine Angelegenheit die man in Wochenendseminaren oder Workshops erledigen kann, dass sollte einem bewusst sein. Instabile Persönlichkeiten können sehr labil werden, wenn sie sich intensiv mit Spiritualität beschäftigen, ohne ein festes Fundament zu haben. Ein Grund dafür ist, dass sämtliche Vorstellungen oder Weltbilder auf den Kopf gestellt werden, man erkennt, dass alles ganz anders ist als gedacht oder man ist erschrocken über das was man plötzlich wahrnimmt und kann es nicht einordnen.
Ausschlaggebend ist auch der Grad der Sensitivität, denn Hellfühligkeit, Hellhörigkeit und andere mediale Gaben müssen gehandhabt werden können, damit man nicht in dunkle Gefilde abdriftet oder fremdbestimmt wird. Eine ungeordnete Medialität birgt große Risiken für die gesunde Psyche. Die Kontaktaufnahme zu feinstofflichen Ebenen (und den dazugehörigen Wesenheiten) kann zu großer Labilität und Schwäche führen, sie raubt einem die Energie, sofern die Ebenen nicht unterschieden werden können, oder vertrauensselig alles als wahr angenommen wird, was von dort als Botschaft überbracht wird. Der Umgang mit diesen Gaben kann sehr schwächen, wenn nicht genug unterschieden werden kann, welche Qualität die Kontakte haben.
Wenn sich z.B. eine ungeregelte Medialität Bahn bricht, ohne dass der Mensch dies regulieren kann (zeigt sich in Stimmenhören, Fremdeinwirkungen in der Psyche, fragmentarische Persönlichkeit), ist nicht Integration dieser Fremdenergien das Mittel der Wahl (Integration des Schattens), sondern entschiedene Abgrenzung und Aufarbeitung der eigenen Muster oder Fehleinschätzungen, die zu diesen Schwierigkeiten geführt haben.
Zurzeit werden diese Fremdeinflüsse von der Fachwelt zumeist als von einem selbst initiiert betrachtet, und diese (Schatten-)Anteile sollen wieder integriert werden, weil sie vorher durch traumatische Erlebnisse abgespalten wurden. Wenn man so vorgeht, würde man Negatives (andere Wesenheiten) was eigentlich nicht zum Wesen des Menschen gehört integrieren. Stattdessen kann man es so betrachten, dass alle Stimmen die sich innerlich melden, Spiegel für innere Anteile sein können, um anschließend zu prüfen, womit man resoniert. Aber dann darf man nur die „BOTSCHAFTEN“ der Stimmen auf die Person beziehen und NICHT die Fremdenergien durch Wesenheiten als identitätseigen sehen. Das gilt es unbedingt zu unterscheiden. Genauso wie man andere Menschen als seinen Spiegel betrachtet, aber trotzdem weiß, dass man nicht der andere IST als Person. Man kann sich somit durch diese Fremdeinflüsse bewusst machen, was in einem ist, weil man dazu in Resonanz gegangen ist.
Spirituelle Psychologie beinhaltet zu Beginn der gemeinsamen Arbeit eine Neustrukturierung des Lebens. Erst wenn der persönliche Teil des Menschen gut aufgestellt ist, kann man einen Schritt weiter gehen und transpersonale, über die Persönlichkeit hinweg führende Ziele verfolgen. So wird man als spiritueller Therapeut bemüht sein, die Klienten dabei zu unterstützen, Ichbezogenheit zu überschreiten und liebevolle Verhaltensweisen zu entwickeln. Ebenso kann Thema sein, zu großen sich selbst schädigenden Helferdrang auszubalancieren. Die Spirituelle Psychologie kennzeichnet den Übergang von der Individuation zum Gruppenbewusstsein.
Gemeinsamkeiten - Unterschiede
Spirituelle Psychologie als auch Psychotherapie können helfen Ängste zu lösen und dem Leben Sinn zu vermitteln und dies tun sie auf unterschiedlichen Ebenen. Psychotherapie sucht den Sinn in einem weltlich orientierten Integrationsprozess, der dabei unterstützt in der Gesellschaft seinen Platz zu finden und den Selbstwert zu erhöhen. Das führt dazu, gut eingebettet zu sein im sozialen Umfeld und sich zunehmend wohler zu fühlen. Dies ist für einen spirituell orientierten Menschen eventuell ganz falsch, denn er muss lernen, unabhängig von der Gesellschaft zu agieren und mehr und mehr frei zu werden von kollektiven Strömungen. Integration in die Gesellschaft ist da nicht unbedingt das rechte Mittel.
Generell kann man sagen, dass die beiden Arbeitsebenen nicht strikt voneinander getrennt sind, sondern sich überschneiden oder abwechseln können. Damit ist gemeint, dass in der Spirituellen Psychotherapie manchmal Werkzeuge der Psychotherapie genutzt werden, um beispielsweise Ängste abzubauen oder um zu stärken.